KIRCHENGESCHICHTE
Die Anfänge

Der Kirchberg von Panitzsch und die umliegenden Hügel nördlich des Parthelaufes sind Endmoränen der Eiszeit. Bei Grabungen in der Parthenaue ist man auf prähistorische Funde gestoßen, sodass anzunehmen ist, dass sich auch auf dem Kirchberg bereits vorchristliche Kultorte befunden haben. Auf jeden Fall hat sich auf dem Kirchberg vor der Besiedlung der Slawen zwischen 600 und 900 bereits ein germanisches, und danach ein slawisches Heiligtum befunden.

Mit der Christianisierung im Gefolge des Ausbaues und der Befestigung der Mark Meißen unter Heinrich und Otto I. kamen Locatoren (frühmittelalterliche Landnehmer) zusammen mit Plebanen (Bauernpriester) aus dem Fränkischen und dem Flämisch-Niederrheinischen und besiedelten das Gebiet zwischen Fulda und Elbe. Die ansässigen Slawen wurden entweder vertrieben oder zwangsweise christianisiert oder der neue Glaube überzeugte sie, sodass sie ihn freiwillig annahmen.

Zwischen 1050 und 1080 entstand so auf unserem Kirchberg eine erste christliche Missionsstation mit Holzpfählen als tragenden Elementen, wie Verfärbungen im Boden belegen, die bei Grabungen 1992 sichtbar wurden. Zwischen 1100 und 1150 erfolgte ein größerer Bau mit Holzschwellen in den Fundamentgräben. Sie sind im wesentlichen identisch mit den Fundamenten der nachfolgenden romanischen Kirche aus Feldsteinen, die von ca. 1200 bis 1705 von unseren Vorfahren genutzt wurde.

Modell der Kirche um 1100 - 1150

Die romanische Kirche

Modell der Kirche um 1200 - 1220

Der romanische Kirchturm mit Satteldach in Westost-Richtung und das Kirchenschiff waren ursprünglich nicht durch einen Durchgang verbunden. Man trat von Süden her, etwa in Höhe des heutigen vierten Fenster in die Kirche ein und stieß linker Hand auf einen sogenannten Votivaltar, an dem man Gaben, vermutlich für den Schutzpatron des Erzbistums Magdeburg, Mauritius, ablegte. Rechter Hand stand in der Mitte auf einem Kreisfundament der spätromanische Taufstein, ein kelchförmig behauener und profilierter Granitfindling aus der Eiszeit. Nur wer getauft war, durfte nach damaligem Verständnis in die Kirche eintreten. Getrennt wurde das relativ kurze Langhaus vom Chor- und Altarraum durch einen Triumphbogen, der sich links und rechts über einem ca. 2,5m langen Spannfundament erhob. Der Fußboden bestand aus Rollsteinpflaster aus Feld- steinen, bzw. Muldenkiesel. In der sich wiederum verjüngenden, gestelzten Apsis befand sich der Hauptaltar der Kirche.

Der Umbau zur Barockkirche

1705 wurde die Kirche barockisiert. Der Südeingang wurde zugemauert und ein Eingang vom Turm mit Durchgang zum Kirchenschiff geschaffen. Der Nebenaltar an der Westseite wurde entfernt. Ebenfalls entfernt wurde der Triumphbogen und damit das Kirchenschiff geöffnet und fast auf die doppelte Länge vergrößert. Außerdem wurde das Kirchenschiff an der Ostseite mit zwei, an Nord- und Südseite mit nunmehr je vier Fenstern versehen.

Der romanische Taufstein wurde aus der Kirche entfernt. Über dem Scheitelpunkt der Apsis errichtete man den barocken Kanzelaltar, hinter dem sich jetzt die Sakristei befindet. Zum Interieur der Kirche gehörte nun ein von Caspar Friedrich Löbelt 1724 geschaffener, freischwebender Taufengel, der etwa bis 1860 für Taufen genutzt wurde. Danach diente ein klassizistisches Taufholz für Taufen. Dieses wurde später zu dem heutigen Lesepult umgearbeitet. 1860 hat man auch das barocke Gestühl und die Logen entfernt und die heutige klassizistische Empore eingezogen. Das Gestühl wurde durch die Kirchenbänke ersetzt, die noch heute in der Kirche sind.

Weitere Umbauten

Anfang der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts fand eine umfangreiche Erhaltungsmaßnahme unter Leitung des ortsansässigen Baumeisters A. Dietrich statt. Die Eindeckung des Kirchenschiffes vor der Instandsetzung 2006 stammte aus dieser Zeit. Der Altar wurde von der Kanzelwand weggesetzt, sodass ein Umgang hinter dem Altar möglich ist. Da die Nationalsozialisten die Romanik wiederentdeckten, kam der spätromanische Taufstein wieder in die Kirche. Allerdings hat man die Kuppa, den Beckenrand, der wohl durch die 200-jährige Auslagerung beschädigt war, vollständig abgeschlagen und den Taufstein dann mit der Oberseite nach unten einbetoniert. Der barocke Taufengel hatte ausgediente und wurde in der Eingangshalle als „Spendenengel“ aufgestellt, bis er schließlich ganz in den Turm verbannt wurde. Nach umfangreicher Restaurierung und Renovierung befindet er sich heute wieder an der Stelle, an der er 1724 hing. Unter ihm befindet sich jetzt der ehemalige Taufstein, der wieder auf dem Fuß steht. Der noch vorhandene Grund der Kuppa ist ausreichend für eine aus Kupfer getriebene Taufschale.

Die historischen Glocken

Bemerkenswert sind die Glocken. Zwei von ihnen, die mittelgroße und die große, sind vorreformatorisch. Sie stammen aus dem letzten Drittel des 14. Jahrhunderts und aus dem Jahre 1459. Die kleine Glocke trägt im Glockenband die Jahreszahl 1756. Die beiden älteren haben bemerkenswerte Ritzzeich- nungen auf den Glockenmänteln, die Nikolaus Eisenberg aus Leipzig zugeschrieben werden. Zu sehen sind auf beiden Glocken der Bischof Nikolaus und der Erzengel Michael als Drachentöter. Der Erzengel Michael ist auch in der östlichen der beiden Wetterfahnen zu sehen. Ferner zeigen die beiden Glocken- mäntel je eine Kreuzigungsgruppe mit Maria und Johannes unter den ausgebreiteten Armen des Gekreuzigten. Ferner ist auf der mittelgroßen Glocke zusätzlich Maria mit dem Jesusknaben auf den Armen zu sehen. Da auf beiden Glocken der Bischof Nikolaus zu sehen ist, nach Auskunft des Stiftsarchivs Merseburg aber keine Namensnennung der Kirche aus katholischer Zeit nachzuweisen ist, kann angenommen werden, dass Kaufleute die klingenden Zeitzeugen gespendet haben. Denn Nikolaus gilt als ihr Schutzpatron. Dies liegt nahe, da Panitzsch im Kreuzungsbereich der beiden wichtigsten mittelalterlichen Handelsstraßen lag, der alten Salzstraße in Nord-Süd-Richtung und der via imperii oder via regia und außerdem direkt am Jacobspilgerweg.

Eine evangelische Kirche

1539 trat das albertinische Sachsen der Reformation bei und Panitzsch wurde damit evangelisch. Mit der Gründung der Universität 1409 bekam Leipzig neben der Bedeutung als Handelsstadt auch den Ruf als Stadt der Wissenschaft und Forschung. 1608 wurde Panitzsch dem Rat der Stadt Leipzig unterstellt. Dies ist wohl der Grund dafür, dass über der Kanzel das Stadtwappen von Leipzig zu sehen ist und sich in der westlichen Wetterfahne die Jahreszahl 1608 befindet. Zusätzlich ist in dieser Wetterfahne die Jahreszahl 1980 zu sehen. In dem Jahr wurde die Neueindeckung des Kirchturmes mit Naturschiefer durchgeführt und die Außensanierung der Kirche begonnen.

Die umfangreiche Sanierung der Kirche 2006

Schon damals war uns bewusst, dass die Biberdoppeldeckung des Kirchenschiffes aus dem Jahre 1934 einer Neueindeckung bedarf. Das 300jährige Jubiläum als Barockkirche im Jahre 2005 nahmen wir zum Anlass, dazu Vorbereitungen zu treffen. Dass das aus dem Jahre 1705 stammende Dachtragwerk und der umlaufenden hölzerne Ringanker des Schiffes sowie der Turm, besonders im Traufenbereich, so desolat wären, hatte keiner vorher auch nur geahnt. So ist bei der Sanierung 2006 sowohl der Dachstuhl des Schiffes als auch der des Turmes umfang- reich restauriert worden und die Gesimse aus- und aufgemauert worden. Nach kompletten Dachklempnerarbeiten mit Kupferblech am gesamten Gebäude, ist der Turm teilweise, Kirchenschiff und Leichen- halle vollständig mit Thüringer Naturschiefer in altdeutscher Deckung neu eingedeckt worden.

Im Zuge dieser Sanierung haben die beiden historischen mittelalterlichen Bronzeglocken und die kleine Barockglocke eine umfangreiche Restaurierung in der einzigen Glockenschweißwerkstatt Deutschlands erfahren. Während dieser Zeit ist ein neuer Glockenstuhl aus Eichenholz gezimmert worden und in der Glockenstube ist nach der Rückkehr der Glocken eine Läuteanlage mit Linearmotoren installiert worden. So erklingen die Glocken seit dem 1. Advent 2006 nicht nur zu Gottesdiensten und Veranstaltungen, sondern auch zu täglichem Mittags- und Abendläuten über Panitzsch.

Bei der Ausführung der notwendig gewordenen stählernen Turmumschnürung war sichtbar geworden, dass der Kirchturm außen auch neu abgeputzt werden musste. Der neue Putz wurde anschließend mit einem mineralischen Anstrich versehen. Auch der Innenraum der Kirche hat einen neuen Kalkanstrich bekommen, sodass die Kirche außen und innen in neuem Glanz erstrahlt. Selbst die beiden Wetterfahnen auf den Atiken blinken in neuem Golde weithin. Welches Ausmaß die Sanierung und dadurch bedingt die Gesamtkosten angenommen hatten, kann man heute fast nicht mehr ermessen. Aber die Freude über das Erreichte und der Dank gegenüber allen, die das auch finanziell ermöglicht haben, bleiben lebendig.

Nur 5 Jahre nach der Restaurierung und Sanierung 2006/07 hat es in der Nacht von 20. zum 21. Oktober 2011 einen Schwelbrand wegen Materialermüdung einer elektrischen Leitung gegeben. Dabei wäre die Kirche um um ein Haar - wenn jener Schwelbrand nur zwei, drei Stunden später entdeckt worden wäre und wenn der Schwelbrand durch eine dünne Holztür zum Turm durchgeschlagen wäre - rettungslos bis auf die Grundmauern niedergebrannt und wir stünden heute vor einer Ruine.

Eine ausführliche fotografische Dokumentation des Baugeschehens ist auf einer gesonderten Seite zu sehen.

Orgel und Musica sacra

Ihren Ruf als „Wallfahrtsort“ verdankt die Kirche neben dem reizvollen Ambiente und dem schlichten Interieur auch der spätbarocken Orgel des Torgauer Orgelbaumeisters Johann Christian Friedrich Flemming aus dem Jahre 1786. Nach umfangreicher und aufwendiger Restau- rierung 1993 durch die Mitteldeutsche Orgelbauanstalt Voigt, Bad Liebenwerda, erklingt sie wieder in alter Klangschönheit (Geschichte und Restaurierung der Orgel). Orgelkonzerte namhafter Organisten, aber auch Kammermusiken und Chor- und Orchesterkonzerte mit hervorragenden Vokal- und Instrumentalsolisten stehen seither auf dem Konzertprogramm. Auch Konzerte mit zeitgemäßer Musik, Schriftstellerlesungen und Kunst- und Fotoausstellungen bereichern das umfang- reiche und abwechslungsreiche Veranstal- tungsprogramm. Neben den Gottesdiensten - der Verkündigung des Wortes - sind diese Veranstaltungen prägende Bestandteile des Gemeindelebens.

Wir sind uns bewusst, dass unsere Kirche eine lange Geschichte und Tradition hat und wir bemühen uns, dem gerecht zu werden. Wir wissen aber auch, dass alle Bemühungen ohne das Wirken des Heiligen Geistes vergeblich sind.